Als Martingalkonvergenzsatz oder Doobscher Martingalkonvergenzsatz (benannt nach Joseph L. Doob) werden in der Wahrscheinlichkeitstheorie bestimmte Aussagen über die Konvergenz von Martingalen bezeichnet. Ein Martingal ist ein spezieller stochastischer Prozess, der als Formalisierung und Verallgemeinerung eines fairen Glücksspiels angesehen werden kann. Unter Zusatzvoraussetzungen an die Beschränktheit des Prozesses lässt sich dessen Konvergenz folgern. Dabei unterscheiden sich die verschiedenen Versionen des Satzes hinsichtlich der Art der Beschränktheit und der Art der Konvergenz. Wesentliches Hilfsmittel bei dem Beweis ist die Aufkreuzungsungleichung. Analoge Konvergenzsätze existieren auch für Rückwärtsmartingale.
Voraussetzungen
Auf einem Wahrscheinlichkeitsraum
mit einer Filtrierung
und
sei eine Folge
reeller Zufallsvariablen gegeben, die an die Filtrierung adaptiert ist und integrierbar ist. Das bedeutet, dass für alle
die Zufallsvariable
messbar bezüglich
ist und
erfüllt.
Der Prozess
heißt Martingal, wenn für alle
die Gleichung
gilt. Gilt stattdessen
für alle
dann wird der Prozess ein Submartingal genannt. Im Fall
für alle
heißt der Prozess Supermartingal. Jedes Martingal ist ein Sub- und ein Supermartingal. Ein Prozess
ist genau dann ein Supermartingal, wenn
ein Submartingal ist.
Versionen des Martingalkonvergenzsatzes
Fast sichere Konvergenz
Es sei
ein Submartingal und es gebe eine Konstante
mit
für alle
das heißt, der Erwartungswert der Positivteile
ist beschränkt. Dann existiert eine
-messbare Zufallsvariable
mit
fast sicher.
Beweis
Für den Beweis ist das sog. Aufkreuzungslemma von entscheidender Bedeutung. Dieses sagt aus, dass für zwei reelle Zahlen
, die zwei Stoppzeiten
mit
und
![{\displaystyle \tau _{k}:=\inf\{n\geq \sigma _{k-1}\mid X_{n}\leq a\}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ef4ffcd119ae4cc18afced869694ca0358f0da69)
![{\displaystyle \sigma _{k}:=\inf\{n\geq \tau _{k}\mid X_{n}\geq b\}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/1caa5a0a7b0808241a7bcf14404b4830d884cfd3)
und die Zufallsvariable
![{\displaystyle U_{n}^{a,b}:=\sup\{k\in \mathbb {N} \mid \sigma _{k}\leq n\}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/4ca4062b79cf56439161cd5766789520ce49fe1c)
der Anzahl der Aufkreuzungen die Ungleichung
![{\displaystyle \mathbb {E} [U_{n}^{a,b}]\leq {\frac {\mathbb {E} [(X_{n}-a)^{+}]-\mathbb {E} [(X_{0}-a)^{+}]}{b-a}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c00ce0bcb127af2b2c3ead80bc580f63a1a00266)
erfüllt. Aus dieser kann mittels der Ungleichung
aus der vorausgesetzten gleichmäßigen Beschränktheit der
gefolgert werden, dass
ebenfalls gleichmäßig beschränkt ist. Der monotone Limes
existiert jedoch, und es folgt
. Für beliebige reelle Zahlen
gilt aber
![{\displaystyle \left\{\liminf _{n\to \infty }X_{n}<a\right\}\cap \left\{\limsup _{n\to \infty }X_{n}>b\right\}\subset \left\{U^{a,b}=\infty \right\}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/38e335061267bd392c4da1dc123671f6b8ae2eca)
und damit folgt, dass das Ereignis
![{\displaystyle \bigcup _{a,b\in \mathbb {Q} }\left\{\liminf _{n\to \infty }X_{n}<a\right\}\cap \left\{\limsup _{n\to \infty }X_{n}>b\right\}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/a8d0fc06070134dad9ae2e1e1b54f4f2e4a4df02)
fast sicher nicht eintritt. Also wird
fast sicher gegen ein
konvergieren. Nach dem Lemma von Fatou ist einerseits
, ähnlich wird
gefolgert.
Konvergenz in p-ten Mittel
Sei
und es gebe eine Konstante
mit
für alle
das heißt, die Folge
ist beschränkt im Raum
Dann existiert eine
-messbare Zufallsvariable
mit
fast sicher und in
.
Die Aussage ist für
im Allgemeinen falsch: Ein in
beschränktes Martingal muss nicht unbedingt in
konvergieren.
Konvergenz bei gleichgradiger Integrierbarkeit
Ist
ein gleichgradig integrierbares Submartingal, dann existiert eine
-messbare Zufallsvariable
mit
fast sicher und in
.
Weiter gilt
und, im Falle dass
ein Martingal ist, sogar
. Man sagt, das Martingal wird durch
abgeschlossen.
Beispiel
Der einfache symmetrische Random Walk
mit unabhängigen, identisch verteilten
und
ist ein Martingal. Wegen
ist kein Pfad konvergent.
Für
ist durch
eine Stoppzeit gegeben und das gestoppte Martingal
mit
ist ebenfalls ein Martingal. Wegen
erfüllt es die Voraussetzungen des Martingalkonvergenzsatzes für fast sichere Konvergenz. Der einzig mögliche Grenzwert ist
, es gilt also
fast sicher.
Insbesondere folgt, dass
gilt.
Wegen
ist das Martingal
in
beschränkt. Es konvergiert jedoch nicht in
gegen
, denn in diesem Fall müsste auch
gegen
konvergieren, im Widerspruch zu
für alle
.
Literatur
- Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-76317-8, Abschnitt 11.2.