Leo Rosen

Leo Rosen

Leo Rosen (* um 1915; † nach 1967)[1] war ein amerikanischer Kryptoanalytiker und Ingenieur. Mit seiner Hilfe gelang es amerikanischen Codebreakers des Signal Intelligence Service (SIS) um Frank Rowlett ab August 1940, und damit noch vor dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg, die japanische Chiffriermaschine vom „Typ B“ (auch genannt: „Typ 97“; amerikanischer Deckname: Purple, deutsch „Purpur“) praktisch industriell zu brechen und so wesentlich zu den alliierten Kriegsanstrengungen beizutragen.

Leben

Authentische Schrittschalter der japanischen Maschine, die aus der Japanischen Botschaft in Berlin geborgen wurden und heute im National Cryptologic Museum zu sehen sind.
Schrittschalter, wie er von Rosen verwendet wurde, um einen Nachbau der japanischen Purple-Maschine zu erstellen.
Amerikanischer Purple-Nachbau

Neben dem Studium der Elektrotechnik am Massachusetts Institute of Technology (MIT)[2] durchlief Leo Rosen noch vor dem Krieg die Offiziersausbildung im Reserve Officer Training Corps (ROTC). Im Jahr 1939 wurde er zum aktiven Dienst in den SIS einberufen, einer kryptanalytischen Einheit der U.S. Army.

Zu der Zeit konnte hier Purple bereits „geknackt“ werden, allerdings war die Arbeit umständlich und zeitaufwendig und musste mit Papier und Bleistift erledigt werden. Das bedeutete hohen Personaleinsatz, Fehlerträchtigkeit und Zeitverzug. Rosen hatte die Idee, die Arbeit zu mechanisieren und entwarf eine entsprechende Maschine, also eine Nachbildung von Purple, obwohl er nie eine solche zu Gesicht bekommen hatte. Dennoch gelang es ihm, allein aufgrund der analysierten Logik der Verschlüsselung, nicht nur das Konzept zu entwerfen, sondern auch die geeigneten Bauteile für deren Realisierung zu finden. Bemerkenswerterweise schlug er dazu die Nutzung von Schrittschaltrelais vor, und nicht Rotoren, wie bei den meisten Chiffriermaschinen dieser Zeit üblich. Der Nachbau der japanischen Maschine gelang.

Da es den Amerikanern darüber hinaus mithilfe eines speziellen kryptanalytischen Verfahrens glückte, aus dem mitgesendeten Indikator auf den verwendeten Spruchschlüssel zu schließen, war es ihnen möglich, die japanischen Funksprüche ebenso schnell zu „lesen“ wie die befugten Empfänger. Dazu gehörte auch eine am 7. Dezember 1941 mittels Purple verschlüsselte Nachricht an die japanische Botschaft, die den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu den USA zum Inhalt hatte. Trotz sofortiger Entzifferung erreichte der Klartext jedoch die US-Regierung zu spät, um noch vor dem am selben Tag stattfindenden Angriff auf Pearl Harbor reagieren zu können. Außerdem enthielt der Text keinen direkten Hinweis auf diesen Angriff.

Wie die Amerikaner erst nach dem Krieg herausfanden, nachdem sie in der Japanischen Botschaft in Berlin eine originale japanische Maschine erbeuten konnten, entsprach die Verwendung von Schrittschaltern tatsächlich der gewählten technischen Umsetzung.[3]

Rosen gehörte ferner zu dem äußerst exklusiven Kreis von Offizieren, denen die britischen Verbündeten Zutritt zu Bletchley Park, ihrer Codebreaking-Zentrale nahe der englischen Stadt Bletchley, gestatteten. Sein erster Besuch dort hatte bereits im Februar 1941 stattgefunden. Er war somit einer der Verbindungsoffiziere, denen die für die Alliierten so fruchtbare kryptanalytisch Zusammenarbeit zu verdanken war.[4]

Nach dem Krieg wurde er Assistant Director of Research (deutsch „Stellvertretender Direktor für Forschung“) und Chefingenieur der Army Security Agency (ASA), Nachfolgerin des SIS, aus der später die National Security Agency (NSA) hervorging. Im Jahr 1967 erhielt er den Exceptional Civilian Service Award der NSA.

Leo Rosen wurde im Jahr 2010 postum in die Hall of Honor (deutsch: „Ehrenhalle“) der NSA aufgenommen.[5] Bei der Zeremonie wurde er durch seinen Sohn Lawrence Rosen und seine Enkel Philip, Michael und Christine Rosen vertreten.

Literatur

  • Craig P. Bauer: Secret History – The Story of Cryptology. CRC Press, Boca Raton, 2013, ISBN 1-4665-6186-6.
  • Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptologie. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, ISBN 3-540-67931-6.
Commons: Leo Rosen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Porträtfoto mit hoher Auflösung
  • Protokoll eines Interviews mit Leo Rosen am 26. August 1984 bei NSA.gov (englisch)

Einzelnachweise

  1. Leo Rosen unter nsa.gov (englisch), abgerufen am 21. November 2020.
  2. Craig P. Bauer: Secret History – The Story of Cryptology. CRC Press, Boca Raton, 2013, S. 305, ISBN 1-4665-6186-6.
  3. Stephen Pincock und Mark Frary: Geheime Codes – Die berühmtesten Verschlüsselungstechniken und ihre Geschichte. Bastei Lübbe 2007, S. 116, ISBN 978-3-431-03734-0.
  4. Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptologie. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, S. 4, ISBN 3-540-67931-6.
  5. 2010 Hall of Honor Inductee unter nsa.gov (englisch), abgerufen am 21. November 2020.
Geehrte in der Hall of Honor

1999: William F. Friedman | Elizebeth S. Friedman | Herbert O. Yardley | Laurance Safford | Frank B. Rowlett | Abraham Sinkov | Solomon Kullback | Ralph J. Canine

2000: Louis W. Tordella | Joseph J. Rochefort | Agnes Meyer Driscoll

2001: Howard C. Barlow | Mahlon E. Doyle | Sydney Jaffe | John E. Morrison

2002: Thomas H. Dyer | Norman Wild | Richard A. Leibler | Mitford M. Mathews | Charles C. Tevis | Julia Ward

2003: Lambros D. Callimahos | Lowell K. Frazer | Juanita Moody | Howard E. Rosenblum

2004: Dorothy T. Blum | James R. Chiles | Meredith Gardner | John Tiltman

2005: William Blankinship | Francis Raven | Arthur Salemme | Joseph N. Wenger

2006: Bernard Ardisana | Edward A. Everett | Cecil J. Phillips | James W. Pryde | Thomas E. Tremain

2007: Jacob Gurin | Robert J. Hermann | Samuel S. Snyder | Milton Zaslow

2008: Benson K. Buffman | Chareles L. Gandy | Alfred M. Gray | Oliver R. Kirby | Donald M. Showers

2009: Richard A. Day | Minnie M. Kenny | Doyle E. Larson | Arthur J. Levenson

2010: Joseph Amato | David Boak | Genevieve Grotjan Feinstein | Leo Rosen

2011: William D. Coffee | Joseph Desch | Parker Hitt | Laura Holmes

2012: Ann Caracristi | Robert Drake | Ronald Hunt | Juliana Mickwitz

2013: Vera Ruth Filby | Richard Proto | Washington Wong | Native American Code Talkers

2014: Frank Austin | Walter Deeley | Howard Ehret | Marian Rejewski | Alan Turing

2015: Ralph W. Adams, Jr. | Charles R. Lord | William O. Marks | Robert J. McNelis | Virginia Jenkins Riley

2016: Gerald Hale | Leonard T. Jones

2017: Mary H. Budenbach | Dennis M. Chiari | Frank E. Herrelko | Bobby R. Inman | Floyd L. Weakley

2018: Hilda Faust Mathieu | Michael J. Jacobs | Richard L. Bernard | Seymour R. Cray | Whitney E. Reed | Hilda Faust Mathieu

2019: Edward M. Drake | Harry Kidder | Alva Bryan Lasswell | Kenneth A. Minihan

2020: George R. Cotter | David Kahn | Barbara A. McNamara | Whitfield Diffie | Lester K. Myers

2021: Jack C. Mortick | Joseph E. Gilligan, Jr. | Clifford Cocks, James Ellis und Malcolm Williamson

2022: Eunice Russell Willson Rice | Youn P. Kim | Richard George | Robert Orestes Ferner

2023: Evelyn Akeley | James Lovell | Joseph Mauborgne | James Radford | Harry Rashbaum

Normdaten (Person): Wikipedia-Personensuche | Kein GND-Personendatensatz. Letzte Überprüfung: 24. Januar 2024.
Personendaten
NAME Rosen, Leo
KURZBESCHREIBUNG amerikanischer Kryptoanalytiker
GEBURTSDATUM um 1910
STERBEDATUM nach 1967