Golem XIV

Golem XIV ist ein Science-Fiction-Buch des polnischen Autors Stanisław Lem aus dem Jahr 1981 (deutsche Übersetzung: 1984), das auf Deutsch auch unter dem Titel Also sprach Golem bekannt ist. Es behandelt hauptsächlich philosophische Fragestellungen. Teile des Textes erschienen bereits im Jahre 1973 (deutsche Übersetzung: 1976) im Sammelband „Imaginäre Größe“. Lem selbst bezeichnete „Golem XIV“ in dem gemeinsam mit dem polnischen Literaturwissenschaftler Stanisław Bereś verfassten autobiografischen Buch „Lem über Lem“ als die „Summe seines Denkens“.[1]

Inhalt

„Golem XIV“ ist in der Geschichte Lems ein von Menschen erbauter Super-Computer, der die Intelligenzbarriere durchbrochen hat und somit über eine eigenständige Vernunft verfügt. Er besitzt weder Eigenschaften der Persönlichkeit noch solche des Charakters. Er kann sich jedoch den Menschen, zu denen er spricht, in der Maske jeder beliebigen Persönlichkeit zeigen. Golem XIV kennt außerdem kein Gefühlsleben, denn er ist keine Person, sondern ein Kalkül.

Der Inhalt des Buches besteht außer dem Vorwort aus zwei fiktiven Vorlesungen von Golem XIV („Dreierlei über den Menschen“ und „Über mich“). Die zweite dieser „Vorlesungen“ veröffentlichte Lem erstmals 1981, während die erste „Vorlesung“ bereits in dem Band „Imaginäre Größe“ (Vorworte zu nicht existierenden Büchern) enthalten war. Eingebettet werden diese Vorlesungen in eine Vorrede des fiktiven Wissenschaftlers Irving T. Creve (bereits 1973) und ein „Nachwort“ des ebenso fiktiven Wissenschaftlers Richard Popp (erstmals 1981).

Die Geschichte von Golem XIV ist weniger ein Roman als ein philosophisches Werk und beschreibt den Beginn und das Ende des intelligenten Computers nur am Rande. Schwerpunkt des Buches sind die Monologe des Computers, in denen Golem XIV seine Sicht des Kosmos und des Menschen wiedergibt.

Lem konfrontiert den Leser mit der unbequemen Vorstellung, die Menschheit sei ein reines Zufallsprodukt der Natur und keineswegs die Krone der Schöpfung. So hinterfragt Golem XIV die Kriterien, die der Mensch aufstellt, um sich selbst als „Krone“ der Evolution anzusehen, und weist auf die geistige Beschränktheit hin, mit der der Mensch die tieferen Gründe der Natur zu erkennen glaubt.

In der ersten „Vorlesung“ („Dreierlei über den Menschen“) entwirft Lem – verkappt als Supercomputer Golem – Grundzüge einer neodarwinistischen Evolutionstheorie, die inhaltlich der vom Biologen Richard Dawkins erstmals 1976 veröffentlichten Konzeption des „Egoistischen Gens“ nahesteht. Lem räumt dem genetischen Code eine gegenüber den aus ihm entstandenen Organismen evolutionär vorrangige Stellung ein und kleidet diesen Gedanken in die Formulierung: „Der Sinn des Boten ist die Botschaft.“[2] Die Organismen existieren dieser Ansicht zufolge also allein zum Zwecke der Übertragung des genetischen Codes, der sich ihrer als eine Art Vehikel bedient. Die Ähnlichkeiten zwischen Lems Überlegungen und den Gedanken Richard Dawkins, dessen im Jahre 1976 erschienene Theorie Lem im Jahre 1973 noch nicht kennen konnte, wurden insbesondere von dem deutschen Philosophen Bernd Gräfrath in seinem 1996 erschienenen Buch „Lems Golem. Parerga und Paralipomena“ herausgestellt.

Außerdem widerspricht er in dieser „Vorlesung“ der Ansicht, die Evolution wäre eine Entwicklung der Lebewesen von einer niederen zu einer höheren Stufe gewesen. Aus technischer Sicht sind die Algen insofern vollkommener, als sie die Photonen der Sonne direkt in Lebensenergie umwandeln können. Die von uns als höher eingestuften Lebewesen haben aber diese Fähigkeit verloren und müssen ihre Lebensenergie als Schmarotzer von anderen Lebewesen holen.

Ausgaben

  • Stanisław Lem: Golem XIV. In: Stanisław Lem: Imaginäre Größe. Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-458-05014-0, S. 109–205.
  • Stanisław Lem: Also sprach GOLEM. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-458-14139-1.
  • Stanisław Lem: Also sprach Golem (= Phantastische Bibliothek. Bd. 175 = Suhrkamp-Taschenbuch. 1266). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-518-37766-3.

Literatur

  • Bernd Gräfrath: Lems Golem. Parerga und Paralipomena (= Suhrkamp-Taschenbuch 2527). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-39027-9.
  • Stanisław Lem, Stanisław Bereś: Lem über Lem. Gespräche (= Phantastische Bibliothek. Bd. 245 = Suhrkamp-Taschenbuch 1696). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-518-38196-2.
  • Wolfgang Neuhaus: Ein Realismus der höheren Art. Erinnerung an das Buch „Also sprach GOLEM“ von Stanisław Lem aus Anlass seines achtzigsten Geburtstages. In: Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Das Science Fiction Jahr (= Heyne 6 = Heyne Science-fiction & Fantasy. Bd. 6389). Band 17. Heyne, München 2002, ISBN 3-453-19674-0, S. 539–553.
  • Matthias Schwartz: Die Traurigkeit des Golems. Stanisław Lems Figuration posthumaner Intelligenz als Poetik der Erinnerung, in: Alexander Friedrich u. a. (Hg.): Kosmos Stanisław Lem. Zivilisationspoetik, Wissenschaftsanalytik und Kulturphilosophie. Wiesbaden 2021, S. 43–72.

Verfilmungen

  • animierter Kurzfilm GOLEM basierend auf GOLEM XIV von Patrick Mccue und Tobias Wiesner

Einzelnachweise

  1. Gespräche, S. 116
  2. Golem, S. 49
Werke von Stanisław Lem

Science-Fiction-Werke: 1946 Człowiek z Marsa (dt. Der Mensch vom Mars, 1989) | 1951 Astronauci (dt. Der Planet des Todes / Die Astronauten, 1954) | 1955 Obłok Magellana (dt. Gast im Weltraum, 1956) | 1957 Dzienniki gwiazdowe (dt. Sterntagebücher, 1961) | 1959 Eden (dt. Eden, 1960) | 1961 Solaris (dt. Solaris, 1972) | 1961 Pamiętnik znaleziony w wannie (dt. Memoiren, gefunden in der Badewanne, 1974) | 1961 Powrót z gwiazd (dt. Transfer / Rückkehr von den Sternen, 1974) | 1964 Niezwyciężony (dt. Der Unbesiegbare, 1967) | 1964 Bajki robotów (dt. Robotermärchen, 1969) | 1965 Cyberiada (dt. Kyberiade, 1983) | 1968 Opowieści o pilocie Pirxie (dt. Pilot Pirx, 1978) | 1968 Głos Pana (dt. Die Stimme des Herrn, 1981) | 1969 Opowiadania (dt. Nacht und Schimmel, 1972) | 1971 Kongres futurologiczny (dt. Der futurologische Kongreß, 1974) | 1976 Maska (dt. Die Maske, 1978) | 1981 Golem XIV (dt. Also sprach Golem, 1984) | 1982 Wizja Lokalna (dt. Lokaltermin, 1985) | 1986 Pokój na ziemi (dt. Der Flop / Frieden auf Erden, 1986) | 1987 Fiasko (dt. Fiasko, 1986) |

Verschiedene: 1951 Jacht „Paradise” (Theaterstück, mit Roman Hussarski) | 1955 Szpital przemienienia (dt. Die Irrungen des Dr. Stefan T. / Das Hospital der Verklärung, 1959) | 1957 Dialogi (dt. Dialoge, 1980) | 1959 Śledztwo (dt. Die Untersuchung, 1975) | 1964 Summa technologiae (dt. Summa technologiae, 1976) | 1968 Filozofia przypadku (dt. Philosophie des Zufalls, 1983 / 1985) | 1968 Wysoki Zamek (dt. Das Hohe Schloß, 1974) | 1970 Fantastyka i futurologia (dt. Phantastik und Futurologie, 1977 / 1980) | 1971 Doskonała próżnia (dt. Die vollkommene Leere, 1973; Das absolute Vakuum, 1984) | 1973 Wielkość urojona, (dt. Imaginäre Größe, 1976) | 1976 Katar(dt. Der Schnupfen 1976) | 1978 Rozprawy i szkice, (dt.  aufgeteilt auf Sade und die Spieltheorie, 1986; Über außersinnliche Wahrnehmung, 1987; Science-fiction: ein hoffnungsloser Fall mit Ausnahmen, 1987) | 1980 Prowokacja, (dt. Provokation, 1981) | 1983 One Human Minute, (dt. Eine Minute der Menschheit, 1983) | 1983 Weapon Systems of the 21st Century or the Upside Down Evolution, (dt. Waffensysteme des 21. Jahrhunderts, 1983) | 1983 The World as Holocaust, (dt. Das Katastrophenprinzip, 1983) | 1992 Die Vergangenheit der Zukunft | 1996 Tajemnica chińskiego pokoju, (dt. Die Technologiefalle, 2000) | 1999 Bomba megabitowa, (dt. Die Megabit-Bombe, 2003) | 2000 Okamgnienie, (dt. Riskante Konzepte, 2001) | 2003 DyLEMaty | 2006 Rasa drapieżców – Teksty ostatnie | 2009 Sknocony kryminał (posthum) |

Verfilmungen: 1960 Der schweigende Stern | 1963 Ikarie XB 1 | 1968 Solaris | 1972 Solaris | 1974 Die Untersuchung | 1978 Testflug zum Saturn | 2002 Solaris | 2007/2011 Ijon Tichy: Raumpilot

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